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Panorama Weltumrundung

Abenteurer und Ingenieur bildeten ein Dreamteam

Chefkorrespondent Wissenschaft
43.000 Kilometer, null Liter Sprit, Mission erfolgreich

Der Flug führte über Kontinente und Weltmeere, ohne einen einzigen Tropfen Treibstoff zu verbrauchen. Jetzt ist die erste Erdumrundung eines Solarflugzeugs erfolgreich in Abu Dhabi zu Ende gegangen.

Quelle: Die Welt

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Die Weltumrundung mit der „Solar Impulse 2“ erforderte ein außergewöhnliches Team. Bertrand Piccard und André Borschberg flogen abwechselnd. Die unterschiedlichen Charaktere ergänzten sich perfekt.

Zum ersten Mal wurde die Welt mit einem Solarflugzeug umrundet. Der schweizer Pilot und Abenteurer Bertrand Piccard setzte am Dienstagmorgen die „Solar Impulse 2“ sicher auf einer Landebahn des Flughafens von Abu Dhabi auf. Die letzte Etappe hatte ihn von Kairo aus rund 2700 Kilometer über das Rote Meer und die saudiarabische Wüste geführt. Insgesamt hat das Solarflugzeug bei seiner Reise um die Welt rund 42.000 Kilometer zurückgelegt. Mit dem Flug um den Erdball habe er das Potenzial der erneuerbaren Energien verdeutlicht, sagte Piccard kurz nach der Landung: „Die Zukunft ist sauber, die Zukunft gehört euch, die Zukunft ist jetzt, machen wir so weiter!“

Die Weltumrundung des ausschließlich mit Sonnenenergie angetriebenen Flugzeugs „Solar Impulse“ ist nicht nur die Erfolgsgeschichte einer extrem effizienten Technologie, es ist auch die Geschichte eines außergewöhnlichen Teams. Zwei Männer haben sich als Piloten auf ihrer Reise rund um die Erde abgewechselt: Bertrand Piccard (58) und André Borschberg (63).

Stammbaum eines Abenteurers

Die beiden Schweizer sind sehr verschiedene Charaktere und haben doch zwölf Jahre gemeinsam und erfolgreich das Projekt verfolgt. Piccard stammt aus einer Abenteurerfamilie, sodass ihm das Erkunden der Welt gleichsam in den Genen steckt. Schon sein Großvater Auguste Piccard stellte 1931 mit einem Ballon einen Höhenrekord auf: 15.785 Meter. Bertrands Vater Jacques Piccard stieß 1960 mit dem Mini-U-Boot „Trieste“ im Marianengraben in die Rekordtiefe von 10.916 Metern vor.

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Quelle: WELT

Als Jacques Piccard von Wernher von Braun im Juli 1969 zum Start der „Apollo 11“-Rakete nach Cape Canaveral eingeladen wurde, durfte der kleine Bertrand mitreisen. Heute erzählt er, dass die Begegnung mit von Braun und das Live-Erleben des Starts der Mondrakete Saturn-V für ihn das Schlüsselerlebnis waren. Ihm sei klar geworden, dass auch er das Abenteuer suchen und die Welt erkunden wolle. Unmögliches zu tun, das ist bis heute das Ziel – wie bei seinem Vater und Großvater.

Der Ingenieur André Borschberg ist hingegen eher derjenige, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht. Dennoch wurde er ein leidenschaftlicher Testpilot. Piccard nennt ihn einen „Macher“. Borschberg ist von Technik fasziniert, studierte aber auch Management am MIT in Boston. Jemand, der mit Technik aufs Innigste vertraut ist und Geräte designen kann, ist bei einem Hochtechnologieprojekt, bei dem fast jedes Bauteil neu erfunden werden muss, der richtige Mann. Weil er überdies gut Projekte managen kann, erscheint Borschberg auch im Nachhinein als der ideale Partner für den Abenteurer Piccard beim „Solar Impulse“-Projekt.

Bertrand Piccard studierte Psychologie

Piccard sagt von sich, dass er auf seinem Weg zum Unbekannten zunächst einmal seine innere Welt entdecken wollte. Er studierte Psychologie und Medizin – für einen Abenteurer auf den ersten Blick erstaunlich. Doch wer bei gefährlichen Missionen an seine Leistungsgrenzen gehen will, der muss sich selber sehr gut kennen.

Ihre Weltumrundung ist auch die Geschichte eines außergewöhnlichen Teams: Andre Borschberg (rechts) und Bertrand Piccard
Ihre Weltumrundung ist auch die Geschichte eines außergewöhnlichen Teams: Andre Borschberg (rechts) und Bertrand Piccard
Quelle: Reuters

Eines gilt für das „Solar Impulse“-Projekt ganz gewiss: Der begrenzende Faktor ist der Mensch. Das Flugzeug war bei seiner Weltumrundung längstens fünf Tage und fünf Nächte durchgehend in der Luft. Theoretisch kann es unbegrenzt weiterfliegen, solange das Wetter mitspielt. Liefern die Solarzellen tagsüber genug Strom zum Aufladen der Akkus, dann kann die Maschine auch in der Dunkelheit der Nacht weiterfliegen.

Doch stellen Sie sich einmal fünf Tage und Nächte ununterbrochen auf dem Fahrersitz in ihrem Auto vor – und dort ist es noch geräumiger als im winzigen Cockpit der „Solar Impulse“. Essen, Trinken, Toilette und Schlafen, das sind für den einsamen Piloten in der „großen Batterie mit Flügeln“, wie Piccard die „Solar Impulse“ einmal nannte, die Herausforderungen. Ein paar Stunden Schlaf am Stück sind möglich, wenn alle Bedingungen optimal sind und der Autopilot die Kontrolle übernehmen kann. Ein Langstreckenflug in der Economy Class ist im Vergleich dazu Superluxus.

André Borschberg ist der Organisator

Was Piccard an Borschberg besonders schätzt, ist „seine außerordentliche Fähigkeit, Dinge zu organisieren“. Wenn etwas zu tun ist, dann „hat André das Notwendige innerhalb von fünf Minuten erledigt. Das beeindruckt mich sehr.“ Er selber, so gibt Piccard augenzwinkernd zu, beginne indes erst einmal mit ausgiebigem Nachdenken. Das könne dann so lange dauern, dass es am Ende zeitlich knapp wird.

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Doch Borschberg relativiert das ein wenig. Wenn es wirklich drauf ankomme, also im letzten Moment, dann sei auch Piccard ein flinker Entscheider und Macher. Irgendwie erwartet man das ja auch von einem Abenteurer.

Das gesamte Team mit der Solar Impulse auf dem John F. Kennedy Airport
Das gesamte Team mit der Solar Impulse auf dem John F. Kennedy Airport
Quelle: AP

Was Borschberg auch nach zwölf Jahren gemeinsamer Arbeit immer wieder an Piccard überrascht, sind die Ideen, die dieser in gemeinsame Diskussionen einbringt. Dass die beiden noch nie von vornherein der gleichen Ansicht gewesen sind, wenn es eine Entscheidung zu treffen oder ein Problem zu lösen galt, daran haben sich beide gewöhnt. Doch Piccards Argumente kämen immer wieder aus einem völlig überraschenden Winkel. Wenn er erwartet, dass Piccard eine Sache so oder so sieht, dann sei es ganz gewiss nicht so. „Ich liebe diese Überraschungen“, sagt Borschberg, „sie sorgten für interessante und fruchtbare Diskussionen. Am Ende gab es noch immer eine Lösung, die von uns beiden getragen wurde.“ Es ist eben eine besondere Partnerschaft.

„Wir sind spirituell miteinander verbunden“, sagt Piccard, „wir teilen die gleichen Werte und haben großen Respekt voreinander.“ Das ist eine gute Basis für ein gemeinsames Projekt, bei dem es letztlich auch um den Einsatz des Lebens geht. Die Umrundung der Welt war ein Erfolg und beide Piloten sind wohlbehalten. Doch man darf nicht vergessen, dass es eine Mission am Rande des technisch und physiologisch Machbaren gewesen ist.

Ohne Furcht wäre man nicht gut vorbereitet

Piccard und Borschberg hatten sich nicht blauäugig in das Projekt gestürzt. Sie kannten die Risiken und leugnen nicht, auch Furcht verspürt zu haben. „Angst ist sehr wichtig, weil sie dazu führt, dass man über alles nachdenkt, was schiefgehen könnte“, sagt Borschberg, „ohne sie würde man nicht gut vorbereitet in die Mission gehen.“

Die beiden sind bei der Planung der Weltumrundung stets von den schlimmsten Szenarien ausgegangen und haben dann analysiert, wie man jeweils damit umgehen kann. „Die Ultima Ratio ist natürlich der Fallschirm, den wir dabeihaben“, sagt Borschberg, „wir haben immer wieder am Boden geübt, wie man die Luke öffnet, aussteigt und abspringt.“ Er habe sich mit der Zeit einfach an den Gedanken gewöhnt, dass er immer diesen Ausweg hat. Dann könne man mit Notsituationen kühl und sachlich umgehen.

In so einer Lage war Borschberg bereits einmal. Im Juli 2013 war er mit der „Solar Impulse“ auf einem Testflug von Washington nach New York. „Ein Helikopter flog um uns herum und machte Fotos“, erinnert sich Boschberg, „dann teilte mir der Helikopterpilot per Funk mit, dass mein Flieger Teile von der Unterseite einer Tragfläche verliere.“

Die vom Helikopter aus geschossenen Fotos wurden direkt an die Schweizer Zentrale gesendet. Von dort kam zwei Minuten später die Nachricht, man sei überrascht, dass sich die Tragfläche nicht schon ganz zerlegt habe. In dieser Situation war Borschberg auf das Schlimmste vorbereitet. Doch es ging alles gut.

Piccard hat geschrien wie ein Kind

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Piccard ist tatsächlich schon einmal im Wasser gelandet – am 13. Januar 1997 im Mittelmeer. Sechs Stunden zuvor war er mit einem Ballon gestartet, doch das Wetter war einfach zu schlecht. „Als ich da im Wasser trieb, habe ich geschrien wie ein Kind“, erinnert sich Piccard, „doch ich habe mich unglaublich frei gefühlt. Es war mein dramatischster Unfall. Er hat mich endgültig von der Furcht des Versagens geheilt.“ Ein Fehlschlag ist für Piccard niemals ein Grund aufzuhören. Piccards Rezept für Erfolg lautet vielmehr: „Man muss etwas einmal mehr versuchen als die Anzahl der Misserfolge.“

Wer im Leben keinerlei Risiken eingeht, werde auch keine großen Ziel erreichen, sagt Piccard. Er hat den Eindruck, dass manche sogar für Fehlschläge dankbar sind, die er als Abenteurer erleidet. Das Scheitern deines Wagemutigen bestärke diese Leute nämlich in der Ansicht, besser gar nichts zu tun. Sie blieben im Sessel sitzen und hätten doch Angst vor der Zukunft. Gut, dass die Weltumrundung der „Solar Impulse“ zeigt, dass sich mit Pioniergeist eben doch etwas erreichen lässt.

Solar Impulse 2 umrundet Freiheitsstatue in New York

Auf seinem Flug zur Weltumrundung ist das mit Sonnenenergie angetriebene Leichtflugzeug „Solar Impulse 2“ bis nach New York gelangt. Als nächstes steht die Atlantik-Überquerung in Richtung Europa an.

Quelle: Reuters

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