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Einführung, Stand der Technik
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Die Grenzschicht und deren Aufbau und Verteilung über der Oberfläche eines Flugkörpers haben eine wesentliche Bedeutung im zivilen und militärischen Flugzeug-, Fluglenkkörper und Raketenbau. Auch der Bau von Windturbinen und anderen Turbomaschinen ist davon betroffen.
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An Flugkörpern mit einem Rumpf und mehreren gepfeilten Tragflächen (Flügel oder Leitwerke) wird die Grenzschichtströmung an den Tragflächen von der Grenzschichtströmung am Rumpf beeinflusst. Die Grenzschichtströmung am Rumpf erreicht in der Regel bis zur Tragflächenwurzel einen stark turbulenten Charakter, deshalb spricht man von einer „Kontaminierung” der Strömung an der Tragfläche durch den Rumpf.
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Im Flugzeug- und Raketenbau sind alle Hersteller interessiert und bemüht, eine Lösung für die Vermeidung oder Beseitigung der Kontamination der Tragflügel – Grenzschicht durch die turbulente Rumpfgrenzschicht zu finden. Solche Lösungen können „aktiv” oder „passiv” sein. Die aktiven Lösungen benutzen zusätzliche Energiequellen, z. B. für die Absaugung der kontaminierten Grenzschicht oder zweigen von den vorhandenen Energiequellen des Flugkörpers Energie ab. Einige passive Lösungen versuchen, die Grenzschichtströmung über Transitionssteuerung mittels Kleinwirbelerzeugung durch künstliche Rauigkeit für bestimmte Druckgradienten zu laminarisieren.
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Bekannt ist die Vorrichtung zur Vermeidung der turbulenten Kontamination von gepfeilten Vorkannten von Mike Gaster (”Gaster Bump” 1964 British Patent Application No. 51305/64), die Umlenkvorrichtung von Krier
DE 10 2006 054 428 B3 und
DE 10 2007 054 873 B4 sowie die Verwendung von Grenzschichtzäunen an Tragflächen (z. B. Fiat G91 oder Suchoi SU22). Auch sind die amerikanischen Erfindungen
US 3 578 264 A und
US 2 800 291 A durch ihre Lösungen zur Kontrolle der Grenzschicht bekannt.
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Die ersten drei Patente liefern verschiedene Lösungen zu dem selben Thema und zwar zur Vermeidung der Kontamination der Grenzschicht auf gepfeilten Tragflächen durch den Rumpf oder rumpfähnliche Körper. Mike Gaster löst das Problem mit einer tropfenförmigen Erhöhung auf der Vorderkante der Tragfläche. Krier löst das Problem mit einer Umlenkvorrichtung an der Vorderkante, deren Kanten und Seitenflächen die Stromlinien an der unveränderten Tragfläche (ohne Umlenkvorrichtung) beinhalten. Somit stellt die Umlenkvorrichtung von Krier eine Lösung mit dem Anspruch einer minimalen Störung der Strömung eines Körpers mit der Umlenkvorrichtung im Vergleich mit demselben Körper ohne Umlenkvorrichtung dar.
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Die Verwendung von Grenzschichtzäunen (Stegrippen) an der Oberseite der Tragflächen dient in erster Linie der Begrenzung der Sekundärströmungen, insbesondere innerhalb der Grenzschicht, um den Widerstand zu verringern und die Flugeigenschaften (Manövrierbarkeit) des Flugzeugs zu verbessern. Dies ist ein anderes wichtiges Thema des Flugzeugbaus und hat mit dem Thema der Vermeidung der Kontamination der Grenzschicht der Tragfläche durch den Rumpf nichts gemeinsam.
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Das amerikanische Patent
US 3 578 264 A präsentiert eine Lösung zur Kontrolle der Grenzschicht auf einer gekrümmten Fläche insbesondere durch Generierung und Kontrolle von Wirbeln, deren Achsen in Strömungsrichtung liegen, um die Ablösung der Grenzschicht zu vermeiden oder zu verspäten und den Wärmeaustausch an dieser Fläche zu verbessern. Dafür werden auf dieser gekrümmten Fläche Wirbelgeneratoren und verschiedene wellenartige Vertiefungen und Erhöhungen vorgeschlagen. Diese sind klein im Verhältnis zur Tragfläche und tragen zur Erzeugung und Verstärkung von Wirbellinien in Stromrichtung bei. Die Kontrolle der Ablösung ist wichtig im Flugzeugbau, um die Flugeigenschaften zu beeinflussen, doch hat sie mit der Lösung in diesem Antrag keine Gemeinsamkeiten, da hier die kontaminierte (turbulente) Grenzschicht ”nur” entlang des Rumpfes weitergeleitet wird, ohne dass sie auf der Vorderkante der Tragfläche ankommt. Dadurch entsteht auf der Vorderkante und auf der Tragfläche eine laminare Grenzschicht, die zur Reduzierung des Reibungswiderstandes führt.
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Das
US Patent US 2 800 291 A stellt ebenso eine Lösung zur Verspätung oder Vermeidung der Ablösung der Strömung auf einer gekrümmten Oberfläche dar durch die Kontrolle der Grenzschichtdicke. Auch hier werden durch die Formgebung dieser Oberfläche (dreieckförmige oder sägezahnähnliche Erhöhungen) Längswirbel erzeugt, die die Schichten an der Oberfläche beschleunigen und somit die Dicke der Grenzschicht verringern. Somit stellt auch dieses Patent keine Lösung für die Vermeidung der Kontamination der Grenzschicht einer gepfeilten Tragfläche durch den Rumpf oder rumpfähnliche Körper dar.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine passive Vorrichtung zu konzipieren, die in der Lage ist, die turbulente Grenzschicht des Rumpfes an der Flügelwurzel von der Vorderkante der Tragfläche zu trennen, um zu vermeiden, dass sie an der Vorderkante der Tragflächen ankommt und diese kontaminiert.
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Die Lösung dieser Aufgabe wird mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 erfüllt.
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Die Vorderkante der Tragfläche bzw. des Tragflügels ist für die Generierung und für den Transport der Grenzschichtströmung maßgebend, da sich im normalen Fall die kontaminierte Grenzschicht des Rumpfes entlang dieser Vorderkante fortbewegt. Wird die turbulente Grenzschicht entlang des Rumpfes von der Tragfläche getrennt, so entsteht an der Vorderkante eine neue laminare Grenzschicht, die durch die Fortbewegung in Spannweitenrichtung die gesamte Grenzschicht über die Tragfläche steuert. Die Lösung gemäß Patentanspruch 1 besteht in einer Vorrichtung an der Wurzel der Tragfläche (Flügelwurzel).
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Die Lösung besteht darin, die turbulente Rumpfgrenzschicht an der Flügelwurzel durch eine spitzwinklige Trennkante zu teilen und sie über die Ober- und Unterseite der Vorrichtung in Windrichtung zu leiten. Der Startpunkt für eine neue, nicht kontaminierte Grenzschicht wird auf der Vorderkante, unmittelbar neben der Vorrichtung entstehen. Diese Teilung und Weiterleitung hat so zu erfolgen, dass stromauf und stromab von der Vorrichtung eine möglichst geringe Störung auftritt. Numerische Untersuchungen der Lösung gemäß Patentanspruch 1 zeigen, dass die Anwesenheit dieser Vorrichtung praktisch keine Erhöhung des Widerstandes zur Folge hat.
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Die Vorrichtung besteht aus einem speziell geformten Körper an der Flügelwurzel zwischen dem Flügel und dem Rumpf oder aus der speziell geformten Flügelwurzel, der/die mittels verschiedener Kanten und Flächen zwei Funktionen gleichzeitig erfüllt:
- – die verlustarme Teilung, Lenkung und Weiterleitung der vom Rumpf kommenden, turbulenten Grenzschicht über die Ober- und Unterseite der Vorrichtung,
- – die Erzeugung einer neuen, nicht kontaminierten Grenzschicht auf der Vorderkante unmittelbar neben der Vorrichtung, die verlustfrei entlang der Vorderkante in Spannweitenrichtung weitergeleitet wird.
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Außerdem hat sie folgende Eigenschaften:
- a) die Funktionsweise ist passiv, d. h. sie arbeitet ohne Energiezufuhr
- b) sie ist praktisch für alle Arten von gepfeilten Tragflächen (Flügel, Leitwerke) eines Flugkörpers in Unter-, Trans- oder Überschallströmung, die vom Rumpf kontaminiert werden, anwendbar
- c) sie führt zu geringerem spezifischen Kraftstoffverbrauch, geringerer Lärmentwicklung und geringerer Schadstoffemission.
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Im Folgenden wird die Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiels näher beschrieben. Es zeigen
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1 Prinzip der Grenzschichttrennung mit Angabe der Parameter
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2 Ausführungsbeispiel der Erfindung – Zeichnung
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Gemäß der Bezugszeichenliste am Ende dieser Beschreibung sind mit verschiedenen Zahlen die wichtigsten Bereiche der Vorrichtung in der 1 gezeigt. Die Prinzipskizze in 1 zeigt in der Draufsicht und in Perspektive den Rumpf mit der gepfeilten Tragfläche. Die Freiströmrichtung oder Windrichtung (5) ist identisch, bis auf die Pfeilrichtung, mit der Flugrichtung des Flugkörpers. Deshalb sind in der Skizze die Pfeile der Freiströmrichtung parallel mit dem Rumpf (1) dargestellt. Die Pfeilung der Tragfläche führt dazu, dass die Anströmung eine Komponente in Richtung der Vorderkante oder Staulinie (4) aufweist. Diese Komponente transportiert die Grenzschichtströmung entlang der Vorderkante oder Staulinie bis zum Flügelende. Die Trennvorrichtung ist an der Flügelwurzel angebracht und hat einige wichtige Eigenschaften für die störungsfreie Trennung:
- A) Sie hat eine spitzwinklige Trennkante (6), die nahezu senkrecht zur Strömungsrichtung (5) in Spannweitenrichtung liegt, um möglichst verlustfrei die gesamte ankommende turbulente Grenzschicht zu teilen.
- B) Sie hat zwei Umlenk- und Führungsflächen, die Oberseite (2) und die Unterseite (3), die in Tiefenrichtung (Windrichtung) des Flügels über die Länge (I) eine sanfte Führung der Strömung ermöglichen, um die Verluste möglichst klein zu halten.
- C) Sie ist seitlich (in Spannweitenrichtung) von der Rumpffläche und von der Seitenflanke (9) begrenzt. Die Abmessung (b) ist direkt von der Rumpfgrenzschichtdicke (10) abhängig und muss größer als diese sein. Die Vorderkante der Tragfläche (4) kann am Anfang einen Abstand (d) zur Trennkante (6) aufweisen.
Aufgrund der Spezialform der Tragfläche ist die Geometrie der Vorrichtung nicht so einfach, wie in der Prinzipskizze dargestellt.
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Ein Ausführungsbeispiel der Lösung ist als Zeichnung in 2 vorgestellt. Maßgebend ist die Geometrie der Vorrichtung, die durch die Gestaltung der Trennkante und der Flächen stromab dafür sorgt, dass die kontaminierte Grenzschicht sanft (ohne Stöße) geteilt und weitergeleitet wird. Wenn man die Vorrichtung durch eine Ebene parallel mit der Symmetrieebene des Flugkörpers schneidet, erhält man den Schnitt C-C in 2, wo die tatsächlichen Formen der Ober- und Unterseite ersichtlich sind, bzw. den Schnitt A-A in der Prinzipskizze 1, wo einige wichtige Parameter des Querschnittes eingezeichnet sind. Wichtigste Parameter der Vorrichtung sind die Position und Richtung der Trennkante (6) bezüglich Windrichtung (5), die Länge (I) des Übergangs von der Trennkante bis zur ursprünglichen Form der Tragfläche, die Breite der Vorrichtung (b), der Abstand in Windrichtung zwischen Vorder- und Trennkante (d) und der Winkel der Trennkante (φ).
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Die Trennkante – mit Nr. 6 in 1 markiert – ist der Bereich der Vorrichtung, der als erstes mit der turbulenten Grenzschicht in Kontakt kommt und, wie die Bezeichnung auch besagt, sie in zwei Hälften teilt. Um diese Aufgabe möglichst optimal zu erledigen, muss diese Trennkante möglichst senkrecht zur Windrichtung liegen. Theoretisch müsste die Trennkante einen scharfen, spitzen Winkel (φ) bilden. Praktisch wird diese Kante einen kleinen Krümmungsradius (< 1 mm) haben, da Festigkeits- und Erosionsaspekte eine wichtige Rolle spielen. Dies führt zu einem Staueffekt an dieser Kante, der, unter Umständen, die kontaminierte Grenzschicht des Rumpfes an die Vorderkante übergeben könnte, deshalb empfiehlt es sich einen kleinen Abstand zwischen der Vorder- und Trennkante (d) vorzusehen. Ein Wert von 5 mm hat sich als ausreichend erwiesen. Der Winkel (φ) muss spitz (deutlich kleiner als 90°) sein. Werte zwischen 20° und 30° wurden erfolgreich getestet. Die Breite (b) der Vorrichtung muss die größte Dicke der Rumpfgrenzschicht überschreiten. Dass heißt, dass die Seitenflanke (9) sich vollständig außerhalb der Rumpfgrenzschicht befinden muss, um den Kontaminationseffekt zu vermeiden.
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Werkstoffe:
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Die Umlenkvorrichtung kann aus ähnlichen Werkstoffen wie die Tragfläche (Aluminium-, Stahl-, Titanlegierungen oder Verbundstoff) gefertigt werden. Bei geringerer Machzahl kann auch Kunststoff in Frage kommen.
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Montage:
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Die Trennvorrichtung soll unmittelbar an den Rumpf, innerhalb von dessen Grenzschicht, an der Wurzel der Tragfläche fest montiert sein, um die maximalen Vorteile erreichen zu können.
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Die wichtigsten Bereiche der Vorrichtung sind mit verschiedenen Zahlen in der 1 gezeigt:
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Rumpf oder rumpfähnlicher Körper
- 2
- Oberseite der Tragfläche
- 3
- Unterseite der Tragfläche
- 4
- Vorderkante oder Staulinie
- 5
- Flug- oder Windrichtung
- 6
- Trennkante der Vorrichtung
- 7
- Oberseite der Vorrichtung
- 8
- Unterseite der Vorrichtung
- 9
- Seitenflanke
- 10
- Turbulente Rumpfgrenzschicht